Leseprobe Nadine, von  Gott vergessene Kinder

 

 
Der tiefe Schnitt
1975 im November....
kalt war es und sie zog den braunen Cordmantel fester
zusammen. Der Nebel und die kalte Luft ließen sie frieren
als sie aus der S-Bahn stieg. Der Geburtstag war super, Sie
hatte sogar ein großes Bonbonglas gewonnen, obwohl sie
ja eigentlich nie Glück hatte, beim ziehen von Losen und
genauso wenig im Leben, dachte sie . Aber heute schien Ihr
Glückstag zu sein, denn ihre Eltern ließen Gnade walten,
sie durfte auch mal, wie andere Mädchen zu einem
Geburtstag gehen.Immer wieder bestand ihr Leben aus
Verboten, das Thema Schulfreunde und Verabredungen
waren bei Ihr zu Hause ein Tabu. Ihre Eltern waren streng
und ihr Stiefvater bei Gesetzesverstoß ein Choleriker. Sie
bekam viel Prügel oftmals auch ungerecht, aber heute
wollte sie darüber nicht grübeln viel zu schön war dieser
Tag.
Sie hatte sich auf diesen Tag gefreut und die Zeit die sie bei
Ihren Klassenkameraden verbrachte verging wie im Flug.
Sie sollte um 19 Uhr zu Hause sein und ein Blick auf die Uhr
zeigte Ihr das sie noch Zeit hatte. So lief sie in Gedanken
versunken vom S-Bahnhof in Richtung Heimat.
Sie merkte nicht das Ihre Schritte im Gleichklang mit den
anderen hinter Ihr waren und so merkte sie auch nicht, dass
Ihr jemand folgte. Ihre langen schwarzen Haare waren
feucht vom Regen und sie lief schneller um endlich ins
Warme zu kommen. Sie war groß für ihr alter und die
weiblichen Rundungen machten sie älter. Ihre Klamotten
waren nicht der neuste Schrei, zum einem wollten ihre
Eltern nichts von dem modernen Kram wissen und zum
anderen fehlte immer wieder das Geld. Heute jedoch hatte
sie von Ihrer Freundin eine Hose geschenkt bekommen und
eine passende Bluse. Das schwarze Cord der Hose machte
sie noch schlanker und die weiße Rüschenbluse dazu,
passte hervorragend. Alle auf der Party, selbst die Jungs
sagten das sie toll aussähe und so fühlte sie sich auch, das
erste Mal, so richtig gut. Daniel war auch da, ihr heimlicher
Schwarm, ähmm, eigentlich der Schwarm aller Mädchen in
der Schule. Sie bekam jedes Mal Herzklopfen wenn er sie
auch nur kurz ansah, denn für mehr reichte es nicht. Sie war
und blieb egal was sie auch trug eine graue Maus. Auch die
Verlosung auf der Feier war lustig, jeder musste ein Pfand
hinterlegen als er eintrat und jedes Pfand bekam einer
Nummer, man zog dann am Ende ein Los und die Nummer
inklusive Pfand hatte einen hinterlegten Preis. Sie gewann
einen alten zerkratzten Schlüsselanhänger der wohl mal als
Fotorahmen dienen sollte und dazu das nostalgische
Bonbonglas mit dicken fetten Himbeerbonbons. Das Glas
war ganz schön schwer, dachte sie.
Hoffentlich waren Ihre Eltern nicht zu Hause, denn sie
mochte es allein zu sein um sich den Träumen hinzugeben,
die ein 13 jähriger Teenager so hatte. Daniel war seit
Monaten ein fester Bestandteil ihrer Tagesträume. Morgens
wenn sie aufstand, war er ihr erster Gedanke und Abends
wenn sie schlafen ging, nahm sie ihn mit in ihre Träume.
1000 Briefe hatte sie ihm schon geschrieben, aber nicht
einen davon hat er erhalten.
Niemanden hatte sie von ihm erzählt, es sollte ihr
Geheimnis bleiben.
Sie überquerte den Ku'damm und bog dann in die dunkle
Straße ab. Auch die Schritte die Ihr folgten wurden
schneller.
Plötzlich jedoch verhallten sie in der Weite und es war leise
in der kleinen Querstraße mitten in Berlin.
Noch ca. 4 Wohnblocks und ich bin pünktlich zu Hause,
dachte sie und sah schon die Hofeinfahrt. Plötzlich, als sie
gerade an dem Haus ihrer Freundin vorbei lief riss jemand
das große Tor auf und zog sie mit aller Wucht in den
Hofeingang. Sie konnte gar nicht reagieren so schnell
geschah das. Sie hielt verkrampft Ihr Glas fest und ihr Herz
pochte wie wild. Man hielt Ihr den Mund zu und der Geruch
dieser Hände den hat sie heute noch, nach fast 35 Jahren in
der Nase.
Als Ihr Bewusst wurde was geschah, war sie so versteinert
das sie gar nichts tun konnte, irgendwie setzte ihr Gehirn
aus und all das was dann passierte nahm sie wie einen
schwarzweiß Film wahr.
Der Typ der sie in die Hofeinfahrt zog war riesengroß und er
roch nach Alkohol. Seine Finger waren hart und kratzten auf
Ihrer Haut. Sein Atem ging heftig und es klang von weiter
ferne wie ein grunzen in Ihren Ohren. Immer wieder flüsterte
er leise,: i fuck you, you white nasty Woman, i fuck you ....
Sie verstand diese Worte nur zum Teil, er schlug sie mit der
flachen Hand und Ihr Kopf knallte gegen die
Hausgangfliesen, sie spürte den dumpfen Schmerz und
immer noch kam kein Wort über Ihre Lippen, Ihre Kehle war
ausgedorrt und sie schrie, schrie schrie aber keiner konnte
sie hören. Er zerriss Ihr ihre Bluse und grob umfassten
seine klobigen Hände Ihre Brust. Er riss Ihr den Knopf von
der neuen Jeans ab beim öffnen der Hose. Dann fingerte er
an ihr rum, es tat alles nur höllisch weh und immer noch
stand sie da und konnte nicht´s aber auch gar nichts
tun.Sein Schweiß, sein Geruch und die Brutalität mit der er
sich an Ihr zu schaffen machte nahmen ihr jegliches Gefühl
von Realität und jedes Gefühl von Hoffnung das dieser
Albtraum bald eine Ende haben würde.. Das Bonbonglas
hielt sie verzweifelt fest und hoffte, so makaber es auch
klang, das es nicht kaputt ging. In Ihr tobte die Wut, die
Verzweiflung und die panische Angst, was machte dieser
Kerl da, er tat ihr weh, sie hatte ihm doch gar nichts getan.
Verzweifelt rollten ihr die Tränen doch die Schreie hörte
niemand, denn sie waren lautlos. Der Kerl schmiss sie zu
Boden und hielt sie an beiden Händen fest. Er spreizte mit
den Knien ihre Schenkel und drang so brutal in ihr ein das
sie in Ohnmacht viel, alles herum verschwamm in einer
seidig weichen Wolke. Sie spürte nichts mehr und wollte
auch nicht mehr erwachen, sie wollte weg aus dieser Welt,
die nur Kälte, Hass und Schmerz in ihr verursachte.sie
wollte nicht mehr leben.
In diesem Moment nahm man Ihr alles, Ihre Würde, Ihren
Stolz, Ihre Jungfräulichkeit, Ihre Kindheit in diesem Moment,
in dieser Sekunde wurde aus einem kindlichen Mädchen
abrupt und herzlos eine Frau.
Sie träumte und da wo sie war, war alles ruhig, eine innere
Stille die ihr für diesen kurzen Moment Frieden gab, sie
fühlte sich frei, endlich frei.
Von ganz weit weg hörte sie Stimmen, die immer wieder
ihren Namen riefen, Nadine komm zu uns zurück, werde
wach, sie fühlte das sanfte streicheln und langsam wurde ihr
kalt. Sie wollte nicht zurück, sie wollte an diesen Ort bleiben,
hier fühlte sie sich geborgen und spürte nichts mehr,aber
irgendwie kam sie zurück und die Realität packte sie eiskalt
und drehte ihr den Magen um. Sie übergab sich und nun
war alles um sie herum wieder da. So viele Menschen
Blaulicht, Feuerwehr überall Männer. Sie bekam Panik und
endlich, endlich konnte sie lauthals schreien und sie schrie,
sie schrie aus Angst, aus Verzweiflung und aus Scham. Sie
hörte die Stimmen die versuchten sie zu beruhigen, ein Arzt
kam und setzte ihr eine Infusion, Sekunden später merkte
sie wie die Schmerzen langsam aus ihrem Körper wichen
und auch sie begann sich leichter zu fühlen. Was war
passiert fragte sie sich immer wieder aber irgendwie konnte
sie keine Antwort in Ihrem Kopf finden. Sie merkte nichts
und spürte auch nichts, innere Leere im Kopf und im Bauch,
sie fühlte sich hohl und alles andere um sie herum wirkte
irreal fast schon gespenstisch. Sie sah ihre Mutter, das
wutverzerrte Gesicht ihres Stiefvaters und auch Ramona
ihre Freundin war in der Menschenmenge erkennbar. Aber
der Faden zu dem was geschehen ist und der Situation in
der sie sich gerade befand, der schien irgendwie gerissen.
Man lud sie in den Krankenwagen und Ihre Mutter stieg mit
ein. Sie hörte sie reden, aber die Worte fanden nicht zu ihr.
Sie wollte einfach nur zurück, zurück zur Ohnmacht, zurück
zu der Stille und dem Frieden, den Sie vor ein paar Minuten
noch empfunden hatte. Sie schloss die Augen und begann
leise zu weinen und fühlte sich so endlos allein.
Am liebsten hätte sie ihre Mutter angebrüllt, ihr die Schuld
an allem gegeben, aber sie schwieg und beschloss zu dem
Geschehen einfach zu schweigen, sie konnte eh keine
Erinnerungen wach rufen, Somit hakte sie schon auf dem
Weg zum Krankenhaus das Kapitel ab und schlief langsam
ein.
Das ruckeln der Trage und die Worte des Sanitäters ließen
sie aufschrecken. Er brüllte in der Einfahrt zum
Krankenhaus : Ein junges Mädchen, wir haben sie schwer
verletzt in einem Hausgang gefunden, Puls normal,
Mädchen unter Schock, ruhig gestellt mit Diazepan,
vermutlich sexuell missbraucht, Alter 13 Jahre, Mieter am
Tatort haben sie gefunden.
Sie begriff nichts von all dem was er da von sich gab. Und
die Blicke der Ärzte und Schwestern konnte sie nicht
deuten.
Ein junger Arzt erwiderte, fahren sie, sie in die U2, ist die
Polizei schon verständigt, ja erwiderte der Sanitäter die
warten im Aufenthaltsraum.
Ok sagte der Arzt ich übernehmen. Sie wurde behutsam von
der Trage auf eine liege in einem Untersuchungsraum
gehoben und der Sanitäter verabschiedete sich mit den
Worten, machs gut Kleine das wird schon wieder.
Ihre Mutter lief rum wie ein aufgescheuchtes Huhn, immer
wieder fragte sie, weißt Du was passiert ist und Nadine
schüttelte immer wieder den Kopf und schwieg.
Was weißt Du schon, dachte sie, Du hast Dir doch noch nie
Sorgen um mich gemacht. Dir war es doch vollkommen egal
ob der Alte auf mich einprügelte weil ich mal wieder in
Mathe nen Fünfer hatte oder der Kaffee morgens um 5 Uhr
nicht für Euch fertig war. Was also interessiert es Dich ob
ich mich erinnern kann. Sie suchte im hintersten Winkel
ihres Hirns nach irgendwelchen Erinnerungen aber auch
jetzt, konnte sie sich an nichts erinnern, Filmriss komplett.
Der Arzt kam und bat die Mutter den Raum zu verlassen, er
wollte mit Nadine alleine sprechen. Er begann sehr
vorsichtig das Gespräch in dem er sie fragte wie sie hieß
und ob sie sich erinnern konnte was passiert sei. Eine junge
Schwester betrat den Untersuchungsraum und half ihr beim
aufstehen. Erst jetzt merkte Nadine, wie schwach sie war.
Ihr wurde schwindelig und plötzlich wurde wieder alles
dunkel um sie herum, aus weiter ferne hörte sie nur, sie
kippt uns weg, Herr Doktor sie ....
Endlich war es wieder still, keine grellen Lichter, keine
Hektik, keine Fragen und auch keine Schmerzen. Hier
bleibe ich jetzt, hier will ich einfach nur noch schlafen. Lasst
mich doch endlich alle in Ruhe, ihre letzten Gedanken
verhallten und Nadine viel in ein tiefes Koma.
So sehr sich die Ärzte auch bemühten, man bekam sie nicht
wach. Man erklärte es sei eine Schutzfunktion des Körpers.
Die Kleine hat schreckliches erlebt sagte der Arzt zu Ihrer
Mutter und die Schutzfunktion des Körpers lässt sie jetzt
erst mal schlafen. Im Schlaf verarbeitet der Körper, das
Passierte auf, sie wird zurück kommen aber das kann eine
Weile dauern. Die Gehirnerschütterung, die Blessuren im
Gesicht und die heftigen Wunden im Genitalbereich werden
heilen aber die Seele, die braucht Zeit.
26 Tage später....
Es war dunkel im Raum, nur die Apparatur neben dem Bett
von Nadine, piepste im immer währenden Takt. Nadine
hörte dieses Geräusch erst ganz weit weg und sehr leise, je
näher sie aber dem Haus kam, desto lauter wurde dieses
merkwürdige Geräusch.
An der Haustür angekommen, konnte sie nicht nach der
Türklinke greifen, immer dann wenn Sie glaubte sie hätte
die Tür erreicht, immer dann sprang die Tür wieder einen
Schritt von Ihr weg, aber dieser Piepton der blieb, laut und
kontinuierlich.
Langsam entfernte sich diese Tür, dieses wohlige weiche
Gefühl, wurde von Moment zu Moment eigenartig schwer,
es wurde dunkel um sie herum und auch die Luft nahm sie
intensiver wahr. Der anfänglich süße Blütenduft wurde von
einer Mischung aus polierten Linoleum und
Desinfektionsmittel ersetzt.
Irgendetwas passierte hier, stellte Nadine beklommen fest
und versuchte gegen diese Dunkelheit anzukämpfen. Sie
versuchte krampfhaft ihre Augen zu öffnen,es viel ihr
schwer, sie hatte das Gefühl ihre Augen wären wie
zugenäht.
Immer wieder versuchte sie, ihre Finger zu bewegen und
begann den Stoff unter ihren Händen zu spüren.
Langsam spürte sie sich selbst wieder, leise begann sie
nach Worten zu suchen und erschrak als sie sich selbst
reden hörte.
Mit einem Ruck öffnete sie ihre Lider und der Blick zur
Decke lies sie stocken.
Wo bin ich, fragte sie sich, Der Piepton neben ihr wurde
schneller und plötzlich schlug irgendwo ein anderes Gerät
Alarm. Sie war total verwirrt, was ist passiert, wo bin ich. Die
Dunkelheit im Raum, ein Tisch ein Stuhl, Blumen und der
helle Mond am Horizont, beim Blick aus dem Fenster,
machten ihr Angst.
Leise wurde eine Tür geöffnet, der Lichtstrahl erhellte für
einen kurzen Moment den Raum, leise Schritte und eine
ältere Frau mit weißen Kittel stand an Ihrem Bett.
Na aber Hallo Nadine, du bist endlich aufgewacht, weißt Du
wo Du bist ?
Nadine schüttelte leicht den Kopf und die Schwester
lächelte sie liebevoll an. Macht nicht´s sagte sie, hast Du
Durst magst Du was trinken. Jetzt erst merkte sie wie
trocken ihre Kehle war und sie nickte. Die Schwester hob
das Kopfteil Ihres Bettes an und reichte ihr ein Glas mit
Wasser. Nadine nippte daran und sie spürte wie ihre Kehle
endlich das kratzen verlor.
Leicht aufrecht sitzend, konnte sie nun auch erkennen wo
sie war, sie befand sich in einem Krankenzimmer und dieser
Piepton war ein Kontrollapparat der Herz und
Lungenfunktion prüfte.
Die Schwester setzte sich an Ihr Bett und sagte, du hast uns
ganz schön Angst gemacht. Nach Deinem "Unfall" warst Du
26 Tage irgendwo anders, aber nicht bei uns. Wir haben uns
große Sorgen gemacht, schön das Du wieder da bist, hast
Du Schmerzen? Nadine überlegte kurz und hörte in sich
hinein, sie schüttelte wieder den Kopf und zeigte auf das
Glas. Wieder nippte sie und genoss das kühle Nass.
Wieder öffnete sich die Tür und ein Arzt betrat das Zimmer.
Freundlich lächelnd kam er an Ihr Bett, nahm ihre Hand und
überprüfte den Puls. Mit einer kleinen Taschenlampe
schaute er tief in Ihre Augen und bat sie mal nach links und
dann nach rechts zu schauen, sie tat wie ihr befohlen.
Dann fragte der Arzt nach Ihrem Namen, aber Nadine
konnte die Buchstaben nicht sortieren und aussprechen.
Sie formte zwar die Lippen, aber kein Wort war zu hören.
Wieder fragte der Arzt ob sie wüsste wo sie sei, ein kurzes
nicken, aber kein hörbares Wort.
Nadine war verzweifelt, was ist mit mir los. Ich will sprechen,
aber ich kann nicht, irgendwie ist meine Stimme weg. Ich
höre mich, aber die Menschen an meinem Bett nicht, was ist
passiert ?
Verzweifelt greift Sie an ihren Hals und schaut den Arzt
panisch an, der legte nur beruhigend die Hand auf Nadines
Schulter und sagte ganz leise zu ihr, wir bekommen das
schon wieder hin, Kleine. Das was Du jetzt brauchst ist
Ruhe und solange Deine Stimme nicht will, solange
schreiben wir uns eben, bekommst Du das hin ?
Er griff in seine Kitteltasche und holte einen Stift heraus,
nahm das auf den Nachtschrank liegende Papier und
reichte es ihr.
Mit zitternden Händen nahm Nadine den Stift und überlegte
kurz, bis sie, zwar etwas krakelig ein großes JA auf den
Zettel schrieb. Der Arzt lächelte ihr aufmunternd zu und
nickte kurz als er den Raum verließ.
Die Schwester stand immer noch im Raum, zog die
Gardinen zu und streichelte Nadine über die Wange.
Kleines sagte Sie, wenn Du etwas brauchst, da ist die
Klingel ich komme dann sofort. Jetzt aber versuch noch ein
bisschen zu schlafen und morgen früh sehen wir dann
weiter. Sie knipste das kleine Notlicht an und Nadine konnte
dabei auf dem Namensschild an ihrer Schürze erkennen
das sie Margot hieß.
Der nächste Morgen war untypisch sonnig, als Nadine
erwachte fühlte sie sich besser. Langsam streckte sie sich
im Bett und begann ihren Körper nun voll bewusst wahr zu
nehmen. Noch immer konnte sie sich nur schemenhaft
erinnern, aber einen wirklichen Reim darauf machen konnte
sie sich nicht.
Sie sah sich im Zimmer um und entdeckte auf Ihrem
Nachtschrank einen Brief ihrer Mutter.Die Handschrift war
unverkennbar sie griff nach Ihm und begann ihn zu lesen.
Mein geliebtes Kind,
ich bin traurig und beschämt über das Vorgefallene und
frage mich wie das nur passieren konnte. Wir erhielten
einen Anruf von Ramona die uns aufgeregt erzählte, das Du
besinnungslos im Hausgang gefunden wurdest. Sie hatte
die Polizei und den Krankenwagen alarmiert und war die
ganze Zeit bis zu unserem eintreffen an Deiner Seite.
Sie fand Dich und der Schock sitzt noch immer tief in uns
allen.
Dein Vater redet seit dem kein Ton mehr mit mir und man
merkt ihm an wie sehr er unter dieser Situation leidet.
Du bist geschändet worden und bisher hat man von dem
Täter noch keine Spur.
Wir alle hoffen,das Du bald wieder zu Kräften kommst und
dann Deine Aussage bei der Polizei machen kannst.
Leider können wir nicht bei Dir sein. Unsere geplante
Amerikareise ist leider schon gebucht und eine Stornierung
ist in der kürze der Zeit nicht mehr machbar.
Vielleicht finden wir auf dieser Reise genügend Abstand um
das Geschehene zu verarbeiten. In zwei Wochen sind wir
wieder da. Mit den Ärzten ist soweit alles besprochen, die
teilten uns mit das Dein Aufenthalt dort sowieso noch länger
sein wird.
Wir wünschen uns alle, das Du bald wieder gesund wirst.
Wir umarmen Dich Deine Mutter
Fassungslos starrte Nadine auf diesen Brief, sie wusste
nicht wie sie reagieren sollte. War das ein Scherz, dachte
sie.
Die fliegen nach Texas, danach nach Graceland um diesen
Pomadenheini Elvis zu sehen, der sich hinter seinen
Gardinen versteckt?
Sie konnte diesen Typen nicht leiden, denn es gab für ihre
Eltern nicht´s heiligeres als diesen Schmalzvogel. In jedem
Zimmer hingen irgendwelche Bilder und zu Familientreffen,
gab es Filme bis zum abwinken von Ihm. Man prahlte mit LP
´s die wohl Unikate seien und man schloss eine
Versicherung ab, sollte der Schatz mal verloren gehen.
Für all diese Dinge hatten ihre ach so tollen Prachteltern
Geld und Begeisterung, für sie und Ihre Geschwister nur
Ablehnung und die Bestätigung dafür, dass sie nicht in das
Wunschbild ihrer Eltern passte.
Sie hatte für diese Zeilen keine Tränen mehr, zu oft hatte sie
geweint und gehofft nur ein kleines bisschen Liebe zu
erhaschen. Statt dessen war sie für Ihre jüngere
Halbschwester und ihren großen Bruder, das
Hausmädchen.
Nadine durfte jeden morgen als erstes aufstehen, so gegen
4:30 Uhr und Ihren Eltern den Kaffee bereiten, wenn dieser
fertig war, weckte sie ihre Eltern und brachte ihnen den gut
mit Milch und Zucker dosierten Kaffee ans Bett.
Das Frühstück für ihre beiden Geschwister musste sie auch
vorbereiten und die Schulbrote auch. Oftmals war sie müde
und hätte auch gerne einmal länger geschlafen, hätte sie es
getan wäre ihr das nicht gut bekommen.
Typisch, dachte sie die fahren in den heiß ersehnten Urlaub
und ich, was wird aus mir?
Leise wurde die Tür geöffnet und eine Schwester betrat das
Zimmer. Sie brachte ihr das Frühstück ans Bett, zog die
Vorhänge auf und begann leise zu singen. Nadine lauschte
und beobachtet die nette junge Frau im weißen Kittel.
Die Schwester sah das Nadine den Brief gelesen hat und
sah sie traurig an. Wir alle sind empört darüber das gerade
jetzt wo Du Deine Eltern am nötigsten hättest, nicht da sind.
Der Doktor hat sogar das Jugendamt informiert und bat
mich Dir auszurichten, egal was passiert, wir hier im
Krankenhaus halten alle zu Dir.
Nadine wollte etwas sagen aber die Worte verhallten wie
auch an dem Abend zuvor in ihrem Kopf.
Iss erst mal dein Frühstück damit Du wieder zu Kräften
kommst, später dann möchte sich eine nette Dame von der
Polizei mit Dir unterhalten, ja ja ich weiß sagte sie,
momentan fällt Dir das reden schwer, aber Block und Stift
langen auch. Sie bleibt ja nicht lange und wenn es Dir zu
viel wird, schmeißen wir sie wieder raus, Du hast mein
Ehrenwort! Mit einem liebevollen zwinkern verließ sie das
Zimmer.
Eigentlich wollte Nadine gar nicht reden, über was auch? Ihr
Kopf war leer und sie hatte keine Erinnerung und das was
passiert ist. Was sollte sie erzählen und vor allem wie sollte
sie erzählen.
Sie genoss das Frühstück und spürte erst jetzt das sie
richtig Hunger hatte.
Obwohl sie im Krankenhaus lag und die Situation eigentlich
total beschissen war, fühlte sie sich seit langer Zeit das
erste mal wieder richtig wohl. Sie hatte keine Schmerzen
und die Sonne schaffte es sogar ihr ein kleines Lächeln aufs
Gesicht zu zauber.
Sie war gerade fertig mit ihrem essen, da ging die Tür auch
schon wieder auf, eine ältere Dame betrat den Raum. Sie
hatte eine Aktentasche dabei und wirkte irgendwie schrullig.
Die komische Brille auf Ihrer Nase passte überhaupt nicht
zu ihr, viel zu groß, dachte Nadine, aber das freundliche
Lächeln und die ruhige Stimmer machte die Dame auch
irgendwie sympathisch.
Hallo Nadine, mein Name ist Römer, ich komme von der
Polizei, die sich Deiner Sache angenommen hat. Leider
muss ich Dir ein paar Fragen stellen und hoffe wir beide
finden gemeinsam Antworten.
Ich habe mir sagen lassen, das durch den Schock den Du
erleiden musstest Deine Stimme nicht funktioniert, aber ich
bin mir sicher wir beide finden eine Lösung.
Man merkte ihr an, das ihr diese ganze Situation unheimlich
war, denn das nervöse rumfummeln in ihrer Aktentasche
verriet es deutlich.
Sie kramte ein Block und einen Stift heraus, reichte es Ihr
und setzte sich auf den Stuhl neben Ihrem Bett.
Sie hatte ein paar Fotos vom Tatort dabei, auf einigen war
ein Mädchen zu sehen, das am Kopf blutete und zu
schlafen schien und auf den anderen sah man einen
goldenen Knopf der auf dem Boden neben einer Blutlache
lag.
Sie schaute Nadine fest ins Gesicht um irgendwelche
Reaktionen zu erkennen, aber es kam nichts. Selbst das
Mädchen das da schlafend lag, es war ihr nicht bewusst das
sie selbst es war.
Nach 20 min gab die Polizeibeamtin auf, sie stellte nüchtern
fest, das Nadine hier tatsächlich unter Amnesie zu leiden
schien und verließ mit einem freundlichen bis bald, das
Zimmer.
9 Tage später.....
nach vielen Untersuchungen entschieden die Ärzte, das es
besser sei Nadine nicht mehr zu quälen. Sie kamen zu der
Ansicht das der Sprachverlust und die Amnesie auf das
Erlebte zurück zu führen ist und nicht physisch sondern
psychisch abgeklärt werden müsste.
Die Ergebnisse sämtlicher Befunde waren negativ, keine
Anzeichen von Hirnschäden oder Sonstigem.
Man wollte sie entlassen und sie ambulant von einem
Psychologen betreuen lassen, doch wo sollte sie hin?
Ihre Eltern waren immer noch in den Staaten. So entschied
der Arzt die Sache nun gänzlich dem Jugendamt zu
übergeben und so kam es das Nadine zunächst einmal in
ein Heim kam.
Der Mann vom Jugendamt holte sie vom Krankenhaus ab
und erzählte ihr während der Autofahrt wo sich das Heim
befand und das dieses wohl erst mal ein Auffangheim sei, in
zwei bis drei Tagen jedoch würde sie dann in eine
Wohngruppe kommen, die dann ihr neues zu Hause sein
würde.
Irgendwie begriff sie gar nicht was da passierte, alles ging
so schnell und war so unwirklich und so lies sie zunächst
einmal all das über sich ergehen. Ein Schritt mit großen

Folgen ....